10.000.000 Tonnen
Diese Zahl steht für die Entsorgung von Möbeln allein in Europa. Jährlich! Tendenz steigend! Basis: Linear Business Models „Take-Make-Dispose”. Das zu ändern, ist unter anderem das Ziel des 2017 gestarteten europäischen Projektes „FURN360“, unterstützt durch die Europäische Kommission. Fokus – Schulungsprogramme zur Umsetzung zirkularer Geschäftsmodelle für den Möbel – und holzverarbeitenden Sektor.
Für eine Umsetzung der „runden Produkte“ sind drei Kriterien elementar entscheidend und müssen in der Strategie verankert sein:
- Long(er)-Life-Zyklen,
- Modularität und Kompatibilität,
- Mehrfachnutzung.
Long(er) Life. Die Definition von Produktlebenszyklen haben eine hohe Relevanz für alle Geschäftsmodelle. Bei zirkularen Produktzyklen ist der zu beachtende inhaltliche Umfang größer und der ökologisch-nachhaltige Blick geht tiefer als bei linearen. Er umfasst unter anderem die Herstellung, die Einsatz der Materialien, Bedingungen für Re-Manufacturing und Refurbishment, Verpackung und Logistik und Wiederverwertbarkeit der Materialien.
Modularität und Kompatibilität. Ohne wieder die Megatrends unserer Zeit strapazieren zu wollen, ergeben daraus die Notwendigkeit und die Vorteile in der Gestaltung der Produkte. Sie müssen anpassungsfähig sein. Wo sich Lebenssituationen und wirtschaftliche Erfordernisse ändern, sollen Möbel „Schritt halten“ können. Und damit auch eine erneute Nutzung ermöglichen.
Mehrfachnutzung. Die beiden voran genannten Kriterien sind die Voraussetzung. Eine Wiederverwendung über „Re-Use“ hält die Produkte im Kreislauf und ist Ressourcenschonung der ersten Wahl. Das Angebot der Mehrfachnutzung über Rental-Modelle ist ein Hauptelement für zirkuläre Geschäftsmodelle.

„El Capitano“ Design
Einer muss der Leader sein. Auf dem Platz ist das der Mannschaftskapitän. Beim der Gestaltung von zirkulären Produkten kommt die Rolle dem Design zu. Und das sogar aus doppelter Sicht. Alles beginnt beim Design. Für die Entwicklung von Unternehmensphilosophien und Geschäftsmodellen. Für die Gestaltung von Produkten.
Circular Economy Design: Die Aufgabenstellung – wie können die Ressourcen im ökologischen Kreislauf gehalten werden? Hier startet die Gestaltung für alle nachfolgenden Elemente, wird die Grundlage für den Erfolg gelegt. Design initiiert die Prozesse für Produktion, Distribution, Nutzung, Refurbishment, Re-Manufacturing, Upcycling, Upgrading, Rückgewinnung.
Eine wichtige unterstützende Methode bei der Fixierung der Design-Entscheidungen ist Life Cycle Thinking (LCT). Hier werden alle ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen über alle Phasen eines Produkt- oder Prozesslebenszyklus hinweg berücksichtigen. Auf Basis LCT und dem Aufbau eines „Sustainable Portfolio Management (SPM)-Tool“ konnte beispielsweise das Chemieunternehmen SOLVAY eine um sechs Prozent höhere jährliche Wachstumsrate erreichen, verglichen mit dem bisherigen „linearen“ Geschäft.
Circular Produkt Design: Die Qualität und die Verarbeitung der einzusetzenden Rohstoffe und Materialen spielen eine große Rolle. Sie müssen eine lange Nutzungszeit der Produkte ermöglichen. Belastbar, robust und dabei sicher – Anforderungen für eine Mehrfachnutzung. Durch die Art der ökologischen Herstellung und Endbehandlung wird die Basis unter anderem für Re-Manufacturing und Refurbishment gelegt. Die Entscheidungen werden im Design getroffen.

Elf Freunde müsst ihr sein
Was im Designprozess festgelegt wird, muss vor allem bei der Vorbereitung und Herstellung der Produkte umgesetzt werden. Die Berücksichtigung aller relevanten Faktoren ist entscheidend, um die Zirkularität der Produkte zu erreichen. Wie im Fußball – Teamplay.
Die strategische Ausrichtung der „Mannschaftsaufstellung“: Ökologisch nachhaltiger Einsatz aller Ressourcen und Materialien und eine auf Langlebigkeit, Wiederverwendung/ -verwertung ausgelegte Herstellung unter Einhaltung aller Gesundheits, Arbeits – und Umweltschutzbestimmungen.
Die wichtigsten Punkte im Detail:
- niedriger Energieverbrauch bei der Herstellung
- niedrige Emissionen bei der Fertigung
- sparsamer, gesundheits-und ökologisch unbedenklicher Einsatz von Chemikalien
- Einsatz nachwachsender Rohstoffe
- zertifizierte nachhaltige Materialien
- Einsatz wiederverwendbarer oder recycelter Verpackung
- möglichst kurze Transportwege
- langlebige, haltbare und sichere Nutzung
- einfache Pflege und Reparatur, Verfügbarkeit von Ersatzteilen
- einfacher Auf- und Abbau, einfaches Zerlegen in Einzelteile
- wiederverwendbare und biologisch abbaubare Materialien.
Für den Aufbau, die Transparenz und die Gewährleistung von effektiven, handlungssicheren Produktprozessen sind unter anderem Normen und Standards unerlässlich. Ein Beispiel. Als Leitlinie des zirkulären Kreislaufs in Design und Entwicklung innerhalb der Umweltmanagementsysteme für Unternehmen ist die ISO 14009:2020 bedeutsam. Dieser Standard unterstützt die Umsetzung des UN-Sustainable Development Goals 13 (SDG 13) „Take urgent action to combat climate change and its impacts”.
Standards, Normen, verbindlich geltende Vorgaben, transparente Labels und Gütezeichen gewährleisten nicht nur Handlungssicherheit für die eignen zirkularen Produkte und schaffen Vertrauen bei den Kundeninnen und Kunden – sie schützen vor Wettbewerbsverzerrung durch „Greenwashing“.

Das Spiel dauert 90 Minuten
Der Change von einer linearen zur zirkulären Aufstellung in den Geschäftsprozessen dauert definitiv länger. Das ist auch nicht entscheidend. Wichtig ist, zu beginnen. Ob auf Basis eines hybriden Geschäftsmodells mit Sales und Rental, als reines Miet-Modell oder mit einer Ausrichtung als „Product as a Service“ – es gibt verschiedene Möglichkeiten. Es muss zum Unternehmen und seinem Produktportfolio passen. Entwickeln und Ausgestalten kann man immer. Auch Umwege oder Neuorientierungen sind erlaubt.
Ein gutes Beispiel für die Möbelbranche ist IKEA. Mit dem Makel als „Billigproduzent“ viele Jahre behaftet, hat das Unternehmen das Ziel zur Klimaneutralität auf Basis zirkularer Geschäftsmodelle fest in seiner Strategie hinterlegt und richtet alle Aktivitäten konsequent darauf aus.
Nicht alles gelingt sofort komplett, wie der erste Versuch für die Etablierung eines Mietmodells zeigt. Auch ein Bypass über eine „Second Hand-Strategie“ und Collaborations wie mit MUD Jeans unterstützen den Reifeprozess. Produkte so zu gestalten, dass sie mehrfach genutzt und wiederverwendet werden können – dafür gibt es mindestens drei Gründe. Unsere Ressourcen sind – schon lange – endlich. Es ein wirtschaftlich erfolgreiches Geschäftsmodell – siehe Beispiel Solvay. Unsere neuen User-Generations wollen anders „Besitzen“.
Anpfiff. Der Ball rollt.